Die Dorfkirche zu Hassenhausen
als Spiegel der Ortsgeschichte

Verlässt man das Saaletal von Bad Kösen kommend in Richtung Eckartsberga, führt der Weg durch zahlreiche kleine Orte inmitten grüner Felder und Wiesen. Auffällig an diesen Ortschaften ist, dass mitten im Ortskern fast immer eine Kirche mit einem sehr wuchtigen und beherrschenden Turm steht.

So auch die Kirche zu Hassenhausen, die fast unmittelbar an der heutigen Bundesstraße 87 zu finden ist. Dieser ehrwürdige Bau ist eine sogenannte Chorturmkirche, chrakteristisch für die Zeit der frühen bis hohen Romanik (ca. 1000 bis 1150 n. Chr.).

Man bedenke, dass in der Zeit des Mittelalters auch Kirchen reine Zweckbauten waren. So wurde der massige, hohe und nahezu quadratische Turm der Kirche nicht nur errichtet, um die Größe und Gewaltigkeit Gottes zu veranschaulichen und das Sanktuarium (den Chor) zu beherbergen, sondern auch, um etwa herannahende Feinde, Raubtiere (z.B. Wölfe) und Unwetter rechtzeitig ausmachen zu können.

In solchen Fällen diente der festungsartige Turm der Dorfkirche auch als relativ sichere Zufluchtstätte der Dorfbewohner.


Der Chorturm

Der älteste Bauteil der Kirche ist zweifellos der massige Chorturm im Osten, der mit seinen meterdicken, solide behauenen Quadern und kleineren Bruchsteinen festgefügten Mauern fast ohne jeden Schaden eine Zeit von wenigstens 850 Jahren überstanden hat.

Wer sich den Turm genau betrachtet, kann in seinem Mauerwerk (besonders in den Fenstergewänden und den Eckquadern) zahlreiche eigenartig geformte, behauene Steine entdecken, die allesamt so wirken, als gehörten sie nicht an diesen Platz. Es handelt sich dabei um sogenannte "Spolien". Werkstücke, die entweder vom Steinmetzen „verhauen“ wurden oder aber aus einem anderen Bau stammen. Bearbeitete Steine waren zeitlose Werte, man bewahrte einen jeden noch verwendbaren sorgfältig auf.

Für uns heute sind diese Spolien ein hilfreicher Hinweis auf die Erbauungszeit der noch bestehenden oder vergangene Vorgängerbauten der Kirche. In Hassenhausen finden sich mehrere Spolien, die uns vermuten lassen, dass es vor dem heutigen Turm bereits einen teilweise oder ganz aus Stein bestehenden Bau gegeben hat. Wie dieser aussah und ob er sich an gleicher Stelle befand, ist jedoch nicht zu klären – dazu reichen die Anzahl der gefundenen Spolien nicht aus. Jedoch kann man die Umbauten am Turm auf das Genaueste nachvollziehen. An der Höhe des Turms ist fast nichts geändert worden, denn sein Zweck blieb über Jahrhunderte der gleiche.

Die einzige Veränderung stellt der heute bereits wieder abgebrochene achtseitige Turmaufsatz aus der Zeit des Spätbarock dar, dessen aus Ziegeln gemauerte Zwickelfundamente im Inneren noch heute sichtbar sind.

Am interessantesten für den Betrachter sind die Fenstergewände und deren vermauerte Reste, die sich vor allem an der Süd- und Nordseite des Turmes befinden. Hier lassen sich die jeweiligen Nutzungen am besten ablesen. Am ältesten sind wohl die sehr schmalen, schmucklosen längsrechteckigen Seh- und Lichtschlitze auf der Süd- und Nordseite. Sie entsprachen der alten Nutzung des Turmes als Schutzort. Man hatte im Turm etwas Licht und konnte die umliegende Landschaft überblicken, auch Steine schleudern; jedoch war es für einen anstürmenden Feind sehr schwer, einen Insassen zu verletzen oder den Turm einzunehmen. Außerdem konnten Kälte, Wind und Regen hier nur sehr schwer eindringen.

Eine Ausnahme im Falle der alten Fensteröffnungen bildeten die obersten nach Süden, Osten und Norden. Es handelte sich hierbei wohl um sogenannte "Biforien" (das sind rundbogige Öffnungen, die in der Mitte durch eine Säule mit Kapitell und Kämpfer geteilt waren, wie sie heute noch in den Kirchen zu Benndorf, Spielberg und Punschrau ganz oder in Resten vorliegen). Leider finden sich in der Hassenhausener Kirche keine Reste der oft kunstvoll verzierten Kapitelle, Säulen oder Kämpfer, jedoch sieht man am südlichen Fenster eine Spolie. Hier wurde der alte, aus Stein bestehende, rundbogige Fenstersturz später zu einem Spitzbogen umgearbeitet.

Es finden sich alte Abarbeitungsspuren, auch sieht das Ganze ein wenig unbeholfen aus.

Man ging also auch damals schon "mit der Mode", ein Beweis dafür, dass die Kirche auch im gewissen Sinne ein "Renommierobjekt" der Dorfbewohner war. Als man zu Beginn des 18. Jahrhunderts wiederum dem Modegeschmack folgte und einen Turmaufsatz baute, legte man den schon einmal veränderten Fenstersturz einfach flach. Er hätte sowohl vom Aussehen als auch vom Platz her störend gewirkt.

Weit jüngeren Datums als die eben erwähnten Fensteröffnungen sind die heutigen Fenster. Auch der Laie kann ohne weiteres erkennen, dass hier in die alte, noch etwas zu sehende vermauerte Fensteröffnung "hineingebaut" wurde. Sehr deutlich ist das bei den beiden sogenannten "Segmentbogenfenstern" auf der Süd- und Nordseite zu sehen. Etwas verborgener ist die späte Zutat des Ostfensters, eines sogenannten "Lanzettbogenfensters".

Von außen ist besonders die sehr tiefe Laibung des Gewändes auffällig. Das weist darauf hin, dass in eine massige romanische Mauer ein zartes gotisches Fenster eingebaut wurde. In der Zeit der Gotik war es nicht mehr nötig, so massige Mauern zu bauen, da die gotische Architektur sich durch ihre Spitzbogenkonstruktion leichter entlasten lässt. Deutlicher wird dieser Umbau jedoch, wenn man sich einmal das Innere des Chors anschaut. Dem genauen Betrachter werden die Reste des Gewölbes in den Raumecken nicht entgehen. Die alten Mauerwerksverbindungen und Verfüllungen des Gewölbes laufen rings um die Wände und sind als Erhebungen unter dem Putz gut sichtbar. Das Spitzbogenfenster befindet sich genau innerhalb dieses Wulstes, hätte also im Gewölbe gesessen! Es ist zu vermuten, dass der Ursprungsbau einstmals eine Apsis, einen runden Chorschluss besass und dass dieser in der Zeit der Gotik aus den veränderten liturgischen Gegebenheiten heraus beseitigt werden musste. Diese Annahme würde mit der erkennbaren Gewölbehöhe und Gewölbeform übereinstimmen. Es kann aber wegen des noch intakten Verputzes kein näherer Rückschluss gezogen werden.


Das Langhaus

Interessant ist auch die Frage: Hatte die alte Kirche ein teilweise oder ganz aus Stein bestehendes Langhaus? Ja, sie hatte. Wie groß es war und wie es genau aussah, ist ohne Ausgrabung nicht mehr zu erkennen, jedoch lassen sich an der Süd- und der Nordseite deutlich "verklinkerte" Steine wahrnehmen. Weiterhin lassen sich im Inneren vom Dachboden aus gesehen keinerlei große Balkenlöcher ausmachen, die auf ein hölzernes Langhaus hindeuten, wohl aber Mauerreste.

Weiterhin öffnet sich auf dem Dachboden nach Westen hin der Turm zu einem großen Spitzbogen. Er ist ohne Zweifel eine in der Gotik vorgenommene Zutat, wie zahlreiche, recht rüde vorgenommene Ausbrüche und Abarbeitungen im Mauerwerk erkennen lassen. In die Statik des alten Turms ist hier wohl empfindlich eingegriffen worden, wie einige sehr alte und auch neuere statische Brüche und Setzungsrisse zeigen.

Doch ist an dem Kirchenbau nicht nur der Turm allein eine Sehenswürdigkeit. Auch das Langhaus hat bereits ein ehrwürdiges Alter. Am besten ist dies durch ein heute vermauertes Spitzbogenportal mit schlichtem Gewände an der Nordseite des Langhauses und an einem gleichwertigen Spitzbogenfenster an der Südseite erkenntlich. Das Türgewände trägt eine eingeritzte Jahreszahl "1488". Eine Bauinschrift dürfte dies jedoch nicht sein, obwohl sie ein Anfangs- und Endzeichen trägt, denn die schlichte, relativ stumpfe Form des Portals ohne Profile in den Gewänden weist auf eine Entstehungszeit spätestens um 1300 hin. Hier haben wir es wohl mit mittelalterlichen "Graffiti" zu tun. Auch das Fenster auf der Südseite dürfte bereits um 1300 entstanden sein.

Somit wirft sich auch die Frage nach einem weiteren alten Eingang im Westen auf. Diese Frage muss weitgehend unbeantwortet bleiben, da fast der gesamte Westgiebel von dem heute dort befindlichen Treppenaufgang zur Empore verdeckt wird. Es lassen sich jedoch im erkennbaren Giebel drei Fenster ausmachen, von denen zwei vermauert sind und schon teilweise innerhalb des Giebels liegen. Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass der obere Eingang erst nach 1668 entstand, da sich hinter der Schwelle im Inneren ein Grabsteinfragment mit dieser Jahreszahl finden lässt. Da der untere, segmentbogige Eingang unter intaktem Putz liegt, können auch hier keine Schlüsse aus dem Mauerwerk gezogen werden.


Die Ausstattung

Auch die Ausstattung der Kirche ist überaus interessant und sehr reich. Der Chorraum wird von dem zweigeschossigen sowie überaus vielgestaltig geschnitzten und bemalten Kanzelaltar mit den Skulpturen des Moses und Johannes des Täufers beherrscht.

Die Bekrönung besteht aus einer etwas kleineren Skulptur des siegreichen Christus.

Dem neugierigen Besucher sei empfohlen, auch einmal hinter den Altar zu schauen. Hier finden sich noch die beiden vor dem Einbau des mächtigen Altars benutzten Sakramentenhäuschen, von denen das rechte, ältere sehr schlicht; jedoch das linke spätgotisch durch sein mehrfach profiliertes und einst bunt gefaßtes "Vorhangbogengewände" sehr imposant erscheint.

Bemerkenswert ist, dass hier noch ein sehr altes, schmiedeeisernes Türchen vorhanden ist.

Die weitere Inneneinrichtung besteht aus einer ehemals doppelgeschossigen Empore mit Chor- und Orgelbalken mit Kassetten in der Brüstung und der bemerkenswerten Rühlmann-Orgel selbst. Leider wurde Mitte des 20. Jahrhunderts das Obergeschoss der Empore abgebrochen, wodurch sich die Statik der restlichen Bauteile erheblich verändert hat. Im Falle der Empore lässt sich jedoch wieder einmal ersehen, wie sehr die Kirche ein Zweckbau war. Nach dem Einbau der Empore wurden nämlich die barocken Fenster nach unten verlängert, da die Empore dem Raum sonst sämtliches Licht entzogen hätte. Die kann man im Außenbereich deutlich erkennen, da die unteren Teile der Gewände einfach mit Ziegeln aufgemauert wurden, während der obere, alte Teil aus Stein besteht.

Heute wieder sichtbar ist das wunderschön mit Rankenwerk vielfarbig bemalte Muldengewölbe im Chor und Langhaus. Die Freilegung wurde durchgeführt.

Im Laufe der Bauforschung konnte noch eine erfreuliche und sehr interessante Entdeckung gemacht werden. Der alte Altartisch im Chor wurde erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit Ziegeln wieder aufgemauert. Die Rückseite zeigt sich noch in gebeilten Kalksteinquadern mit der üblichen Öffnung. Beim Ausleuchten dieser Öffnung wurde im Inneren eine vermauerte runde Steinschale von ca. einem Meter Durchmesser entdeckt. Eine Fase zur Aufnahme einer Innenschale, sowie Reste einer roten Farbfassung konnten wahrgenommen werden. Es handelte sich hierbei um den alten Taufstein der Gemeinde Hassenhausen. Heute ist der Taufstein im Innenraum der Kirche zu sehen.


Quelle: Broschüre "Die Dorfkirche zu Hassenhausen als Spiegel der Ortsgeschichte"

Herausgeber: Kirchengemeinde Hassehausen

Text: Maritta Grube, Kunsthistorkerin und Steinrestauratorin
(Auszüge aus ihrem Bauforschungsbericht)